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„Eine konstant hohe Bildqualität ist nur mit Standards und Richtlinien zu erreichen“

Das grundsätzliche Ziel der Digitalisierung von Kulturgütern ist es, eine digitale Kopie des Originals zu erstellen. Um dies zu erreichen, muss die Qualität der Digitalisierung überprüft und eingestuft werden. Dies gelingt mit Standards und Richtlinien für die Bildqualität. Vor dem Einsatz sind jedoch grundlegende Informationen wichtig. Aufklärung über das Thema leistet Volker Jansen, Leiter Entwicklung und Technik von Zeutschel. Wir sprachen mit ihm über Inhalte, Unterschiede, die praktische Umsetzung, hilfreiche Tools und über Zeutschel’s aktive Rolle.

Herr Jansen, warum ist es wichtig, Standards und Richtlinien in
Digitalisierungsprojekten zu berücksichtigen?

Volker Jansen: Jedes Digitalisierungsprojekt hat das übergeordnete Ziel, das Original in all seinen Details möglichst nachvollziehbar und reproduzierbar zu erfassen. Ein solches Digitalisat ist im Prinzip ein digitaler Stellvertreter des Originals. Somit lässt es sich für Aufgaben wie der digitalen Langzeitarchivierung oder für Forschungszwecke im Remotezugriff nutzen. Dafür gibt es eine Vielzahl von Qualitätsanforderungen; ein Beispiel: Die Bildschärfe passt zur Pixelauflösung und dies gleichmäßig über die gesamte Bildfläche. Die Qualität der digitalen Kopie ist abhängig von dem Zustand des Originals, aber vor allem auch von der Leistungsfähigkeit des Imaging-Systems. Eine subjektive Bewertung, die im Auge des Betrachters liegt, ist nicht akzeptabel. Vielmehr muss die mit Digitalkamera oder Scanner erzielte Bildqualität vollumfänglich definiert und vor allem messbar sein.

Aber ist denn Bildqualität objektiv messbar?

Volker Jansen: Ja, Bildqualität ist messbar. Es gibt eine Reihe von ISO-Normen für die objektive Messung von Qualitätsparametern, die in der ISO 19264-1 gebündelt sind und dies speziell auf den Anwendungsbereich der Kulturgutdigitalisierung. Die Norm definiert erstens die wichtigsten Qualitätsparameter – wie zum Beispiel Auflösung, Rauschen, Dynamikumfang und Farbwiedergabe. Und zweitens beschreibt die Norm die in der Praxis erprobten Messverfahren. Die Leistung des Systems kann durch Messung der Parameter mit Hilfe eines Testcharts und einer Analyse-Software bestimmt werden. Ebenso findet sich in der ISO-Norm im Anhang eine Tabelle, welche die Messergebnisse in drei Qualitätslevel A, B und C einteilt. Diese Angaben haben informativen Charakter. Zusammengefasst: Mit der ISO-Norm erhalten Anwender ein umfassendes Kompendium, mit dem sich die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Imaging-Systeme für die Kulturgutdigitalisierung eindeutig ermitteln lässt.#

Welche Bedeutung hat die ISO-Norm für die Kulturgutdigitalisierung und wie wird sie sich weiterentwickeln?

Volker Jansen: Es ist sehr zu empfehlen, die ISO-Norm 19264-1 bei der Digitalisierung von Kulturgut heranzuziehen. Bibliotheken, Archive und andere öffentliche Anwender gehen mehr und mehr dazu über, in ihren Ausschreibungen die Qualitätssicherung nach der Norm verpflichtend vorzuschreiben. Dies gilt im Speziellen für Projekte im Kulturgutschutz. Damit wird der ISO-Standard für externe Digitalisierungsunternehmen rechtsverbindlich. Aktuell bezieht sich die ISO-Norm auf Auflichtvorlagen wie zum Beispiel Bücher, Zeitschriften und Landkarten. Im Laufe des Jahres 2025 wird eine eigene Norm für Durchlicht – beispielsweise Dias, Glasnegative und andere Filmformate – erwartet.

Wie unterscheidet sich die ISO-Norm von den Digitalisierungs-Richtlinien?

Volker Jansen: Die beiden Richtlinien Metamorfoze und FADGI ermöglichen eine praktische Umsetzung der ISO-Norm in die täglichen Arbeitsabläufe von Digitalisierungsprojekten. Dafür greifen sie die in der ISO-Norm definierten Messverfahren und Qualitätsparameter auf und definieren dafür eigene Grenzwerte. Sowohl Metamorfoze als auch FADGI teilen die Bildqualität mit den entsprechenden Grenzwerten in verschiedene Qualitätsstufen ein. Je nach Anwendungsbereich sieht Metamorfoze drei Stufen vor: Erstens Metamorfoze full mit einer sehr hohen Farbgenauigkeit, wie sie bei einzigartigen Kunstwerken wie Gemälde und Kunstdrucke oder historisch wertvollen Dokumenten wie handgeschriebene Briefe historischer Persönlichkeiten gefragt ist. Zweitens Metamorfoze Light mit einer hohen Farbgenauigkeit; Anwendungsbeispiele sind historische Bücher, Zeitungen oder Handschriften. Und schließlich drittens Metamorfoze Extra Light mit einer hohen Farbgenauigkeit zur Digitalisierung von einzelnen Dokumenten und Vorlagen mit Einzugsscannern.

Volker Jansen

Geht FADGI einen anderen Weg

Volker Jansen: Die FADGI-Richtlinie arbeitet kleinteiliger. Das bedeutet, sie unterteilt in 17 verschiedene Anwendungsfälle, und in jedem Anwendungsgebiet gibt es noch drei bis vier Qualitätsstufen, bei FADGI mit Sternen gekennzeichnet. Nicht alle Qualitätsparameter der ISO-Norm werden in der FADGI-Richtlinie berücksichtigt. Die ISO 19264-1 ist eine internationale Norm und gilt damit weltweit. Metamorfoze hat sich unter europäischen und asiatischen Anwender etabliert, während FADGI in Nord- und Südamerika weit verbreitet ist.

Wie gelingt die praktische Umsetzung in der Praxis? Und wie lässt sich die Bildqualität konkret messen?

Volker Jansen: Messverfahren und Grenzwerte für die benötigten Anwendungsfälle können aus den Standards und Richtlinien entnommen werden. In einer speziellen Qualitätsanalyse-Software wie das OS QM Tool von Zeutschel können die für das Projekt wichtigen Grenzwerte und Toleranzen hinterlegt werden. Für die Bestimmung der Bildqualität stehen Testcharts wie das UTT (Universal Test Target) zur Verfügung. Dabei digitalisiert der Anwender mit dem genutzten Imaging-System zunächst das UTT. Die anschließende Auswertung findet anhand der Chart-Strukturen statt. Die Software vergleicht die ermittelten Messergebnisse mit den definierten Grenzwerten und Toleranzen. Innerhalb weniger Sekunden lässt sich somit feststellen, ob die erzielte Bildqualität den definierten Anforderungen entspricht oder nicht. Gleichzeitig erhält man auch eine Aussage über das Leistungsvermögen des Imaging-Systems und ob eventuell eine Neu-Kalibrierung notwendig ist.

Welche Rolle spielt Zeutschel bei der Entwicklung und praktischen Umsetzung
von Standards und Richtlinien?

Volker Jansen: Zeutschel engagiert sich seit vielen Jahren bei weltweiten Standardisierungsinitiativen. Das Entwicklungs- und Technik-Team beteiligt sich zum Beispiel aktiv an der Arbeitsgruppe internationaler Experten, die den ISO-Standard entworfen hat und aktuell weiterentwickelt. Und auch bei der Entwicklung des UTT-Testcharts spielte Zeutschel eine wichtige Rolle: Dieses entstand im Rahmen einer länderübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Zeutschel und anderen Experten. Weiterhin wollen wir Digitalisierungskompetenz vermitteln. Zu diesem Zweck führen wir Trainings und Schulungen nicht nur für unsere Mitarbeiter, sondern auch für Partner und Anwender durch. Video-Tutorials zu wichtigen Themen der Bildqualität sind ein weiterer Bestandteil unseres Know-how-Transfers. Und wir entwickeln Tools, mit denen eine regelmäßige Sicherung der Bildqualität einfach und komfortabel möglich ist.

Können Sie uns dazu ein Beispiel geben?

Volker Jansen: Die Qualitätsprüfung in der Praxis erfolgt in der Regel stichprobenartig. Üblicherweise geschieht dies zu Beginn und am Ende des Digitalisierungsprojekts; bei größeren Projekten auch in definierten Abständen wie Schichtbeginn und Schichtende sowie bei anstehenden Änderungen im Projektablauf. Dieser stichprobenartige Ansatz führt jedoch zu keiner sehr hohen Ergebnissicherheit, weil Images unter den Qualitätsvorgaben übersehen werden können. Zeutschel hat deshalb das Software-Modul „Permanente Bildqualitätskontrolle“ entwickelt. Das Ergebnis ist eine konstante Überwachung der Bildqualität. Die Qualitätsprüfung erfolgt direkt beim Scannen ‚on-the-fly‘. Scans, die außerhalb der definierten Norm liegen, werden sofort erkannt.

Auf den Punkt gebracht: Sind Standards und Richtlinien in Digitalisierungsprojekten Kür oder Pflicht?

Volker Jansen: Die ISO 19264-1 ist Teil des deutschen Normenfundus und ein wichtiges Regelwerk für die Durchführung von Digitalisierungsprojekten. Anwender erkennen, dass eine konstant hohe Bildqualität nur dann zu erreichen ist, wenn eine Kontrolle gemäß der Standards und Richtlinien stattfindet. Im Mittelpunkt steht der Wunsch, jedes Original in bestmöglicher Qualität nach Möglichkeit nur einmal zu digitalisieren. Die Messverfahren und praktischen Grenzwerte dafür sind vorhanden. Zudem gibt es Software-Tools für einen effizienten und unkomplizierten Digitalisierungsworkflow. Und Unternehmen wie Zeutschel unterstützen die Anwender mit Know-how-Transfer und Trainings. Deshalb die eindeutige Antwort: Standards und Richtlinien sind Pflicht.

Volker Jansen
Volker Jansen

Über Volker Jansen:
Volker Jansen leitet die Technik und Entwicklung bei Zeutschel. Der studierte Diplom-Ingenieur mit Fachrichtung Fotoingenieurwesen hat seit 2003 in entscheidender Position alle Kamera-, Scanner- und Mikrofilmsysteme entwickelt. Als Mitglied des Standardisierungsgremiums ISO TC 42 JWG 26 beteiligt er sich aktiv an der Weiterentwicklung von Standards. Er hat das UTT-Testtarget sowie den damit verbundenen Workflow zur Qualitätssicherung in der Kulturgutdigitalisierung mit erfunden und begründet. Neben der Entwicklung neuer Lösungen liegt sein Fokus aktuell auf der Definition eines Digitalisierungsstandards für historisches Durchlichtmaterial. Dieser wird von der ISO TC 42 JWG 26 erarbeitet.



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